von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Kanaren «

Kanarisches Traditionsinstrument aus chinesischer Massenproduktion

Foto von NabiaOrebia – flickr

Wer je einen traditionellen kanarischen Abend erlebt hat, lauscht dabei auch den Klängen eines Saiteninstruments. Das ebenso typisch für die Inseln ist wie Papas arrugadas mit Mojo und bunte Trachten. Die Trachten werden auf Volksfesten bei den traditionellen Romerias stolz zur Schau getragen. Die Timple ist nicht einfach nur eine kleine Gitarre, die große Ähnlichkeit mit einer Ukulele hat. Sondern sie ist ein Instrument, mit dem man manchmal traurige, manchmal launige Geschichten erzählt. Gleichzeitig wurde mit ihr aber auch Geschichte geschrieben.

Ein Instrument mit beeindruckender Geschichte

Die Timple ist so alt wie die Historie der Spanier auf den Kanarischen Inseln. Die Eroberer der Inseln brachten ihre Musik mit, als sie im 15. Jahrhundert das Archipel für die spanische Krone in Besitz nahmen und die Kultur der Ureinwohner, den Guanchen, nahezu vollständig auslöschten. Seit diesen Tagen gehört das Saiteninstrument zum Leben auf den Kanarischen Inseln einfach dazu. Mit ihr wird seit jeher die Lebensfreude und Hoffnung ausgedrückt. Gefühle, ohne die ein Überleben unter zum Teil schwierigsten Umständen nicht möglich wäre. Überliefert ist eine Geschichte, in der man mit dem Instrument gar gegen die Inquisition gekämpft hat. Der Angeklagte in einem der oft willkürlichen Prozesse soll sich während der Verhandlung seine Timple genommen und ihr derart eindringliche Töne entlockt haben, dass dadurch tausende Beobachter des Verfahrens animiert wurden, in die Lieder einzustimmen und damit das ungerechte Tribunal ad absurdum führten.

Tradition wird zum Billigprodukt

Doch in den Zeiten der Globalisierung haben alte Traditionen oft keine Chance mehr gegen Entwicklungen, die kulturelle Vielfalt und regionale Eigenheiten zunehmend bedrohen. Dieses Schicksal zeichnet sich jetzt auch für die Timple ab. Seit einiger Zeit stellt man das Instrument mit der langen kanarischen Geschichte auch in China her. Das Geschäft alteingesessener Instrumentenbauer geht schon seit vielen Jahren immer mehr zurück, sodass zu befürchten steht, dass am Ende das traditionelle Handwerk ganz verschwinden wird.

Honorio Pulido ist einer der letzten, die noch wissen, wie man eine gute Timple macht. Leben konnte er aber allein von dem Instrumentenbau noch nie. Der 67-Jährige, der auf Gran Canaria zu Hause ist, fertigt die exklusiven Instrumente heute nur noch auf Bestellung an, und das sind nicht mehr als zwei oder drei pro Jahr. Nur wenige Menschen sind heute noch bereit oder in der Lage, für ein solches Instrument 500 Euro auf den Tisch des Hauses zu legen, auch wenn dieser Preis angesichts des erstklassigen Materials und der langen Arbeitsstunden sicherlich mehr als gerechtfertigt ist. In Warenhäusern werden viersaitige Exemplare aus chinesischer Massenproduktion bereits zu einem Preis von 60 Euro angeboten, was dazu führt, dass ein Stück kanarischer Kultur zum Billigprodukt verkommt, das mit dem ursprünglichen Instrument nur wenig zu tun hat.

Ein Instrument voller Herzblut

Der Unterschied wird besonders deutlich, wenn Honorio Pulido erzählt, mit wieviel Herzblut und Hingabe eine echte kanarische Timple entsteht. Es beginnt schon mit der Auswahl des richtigen Holzes, aus dem ein gutes Instrument entstehen soll. Bereits die Wurzel muss nach Überzeugung des Instrumentenbauers einen besonderen Klang haben. Wenn man auf sie klopft, muss man den unvergleichlichen Ton vernehmen können, der für die besondere Charakteristik der Timple so typisch ist.

Pulido ist nicht der Einzige, der beklagt, dass die Tradition des Timplebaus immer mehr in Vergessenheit gerät. Er würde es gerne sehen, dass von offizieller Seite aus mehr getan würde, um ein Stück kanarischer Identität zu retten. Ein erster Schritt wäre nach seiner Ansicht schon die Einrichtung von Timplekursen an der Universität. Hier könnten zukünftige Musikergenerationen die Einzigartigkeit des Instruments kennen und schätzen lernen. Wenn die Nachwuchsmusiker erst einmal erkannt haben, welche Möglichkeiten das Instrument bietet, werden sie auch die Seele der Timple entdecken, da ist sich Honorio Pulido sicher. Er jedenfalls hat sie entdeckt und betrachtet jedes von ihm gebaute Instrument als sein Kind, dem es gilt, seinen jeweils eigenen Charakter zu verleihen. Eine Kunst, die in chinesischen Fabriken wohl kaum möglich sein wird.

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