von Leonie Reuter (Kommentare: 0) in Kategorie » Teneriffa «
Die Taginasten blühen
Der Teide Nationalpark ist rund um das Jahr tagtäglich ein attraktiver Anziehungspunkt für viele Touristen. Sie kommen die 2000 Meter hierher hinauf auf das „Dach Teneriffas“, um einen Blick aus nächster Nähe auf den gewaltigen Teide zu werfen. Doch nicht nur der faszinierende Vulkan Teide lockt die Besucher.
Auch viele Wanderungen kreuz und quer durch den großen Nationalpark starten hier oben an der sogenannten Cañadas Straße. Diese Straße verbindet als TF-24 die vier Straßen miteinander, die von der Küste aus in vielen Serpentinen hoch zum Nationalpark führen. Viele Tagesbesucher, die gerne wandern möchten, nicht jedoch genügend Zeit für einen Ausflug auf den großen Berg mitbringen, erfreuen sich an einem kurzen Spaziergang auf einem der zahlreichen kleinen Wege durch die felsige Vulkanlandschaft des Nationalparks.
Eine Tour, die tatsächlich für Jedermann geeignet ist, der gerne wandert, bietet sich um das Felsmassiv der Roques de García an. Diese Felsen sind das bekannteste Naturmonument der Insel. Zu dem Massiv gehört auch der Roque Cinchado, der gemeinhin eher als Finger Gottes bekannt ist.
Allein dieser Felsen, dessen Erwähnung in keinem Reiseführer fehlen darf, lockt täglich viele Touristen an den Parador.
Hier rund um die schroffen Felsen des Massivs findet auch der unerfahrene Wanderer breite und gut gekennzeichnete Wege vor. Die relativ kurze Rundtour besteht zumeist aus ebenmäßig dahin laufenden Pfaden. Nur in der zweiten Hälfte der Tour sind 200 Meter im Ab- und Aufstieg zu bewältigen. Der Weg bietet wunderschöne Aussichten auf den Teide und die weite Caldera, wie der an einigen Stellen bis zu 17 Kilometer breite Talkessel bezeichnet wird.
Gemütlich lässt sich dieser Rundweg in 1,5 Stunden zurücklegen. Ein zügigerer Wanderer wird den Weg in einer Stunde bewältigen. Um einen ersten Eindruck von der Größe und Weite sowie der eindrucksvollen Natur des Nationalparks zu bekommen, bietet sich diese Wanderung geradezu an. Ausgangspunkt des Rundweges ist der Parador Nacional de las Cañadas in Höhe von 2150 Metern.
Diese Stelle ist das absolute „muss“ für jeden Touristenbus. Jeder den Nationalpark passierende Busfahrer legt hier eine kurze Pause ein, um es den Teneriffa Besuchern zu ermöglichen, von der hübsch angelegten Aussichtsplattform nicht nur einen Blick auf das Felsmassiv der Roques de García, sondern insbesondere auf die Caldera, die von einer bizarren Felskette umrahmt wird, zu werfen. Die Ränder der Caldera sind an einigen Stellen bis zu 700 Meter hoch. Das sind die beeindruckenden Überreste des mächtigen Urvulkans. Er hat die Inselmitte vor dem Teide beherrschte und der ungefähr 6000 Meter hoch gewesen sein soll.
Doch kaum sind ein paar Fotos geschossen, treiben die eiligen Reiseleiter ihre Menschenschäflein wieder in den Bus. Denn zumeist steht „Insel an einem Tag“ auf dem Programm. Und bei den vielen sehenswerten Orten und den beeindruckenden Naturmonumenten muss diese Aufgabe erst einmal in einem Tag bewältigt werden. Wer mit dem Leihwagen oder dem öffentlichen Bus, der am Parador hält, unterwegs ist, sollte sich hingegen etwas Zeit nehmen. Nicht nur die abgesicherten 50 Meter hoch auf das Felsmassiv sind sehenswert. Es lohnt sich tatsächlich den ganzen Rundweg zu erwandern.
Besonders glücklich kann der Besucher sein, der die Gelegenheit hat, diesen kleinen Rundweg mit der Nummer 3 von Anfang bis Mitte Mai oder in der ersten Junihälfte zu gehen. Das ist die Zeit, in der die bis zu drei Meter hoch ragenden roten Taginasten blühen. Zu sehen ist eine Landschaft voller roter Farbflecke in Pyramidenform. Die Taginaste (Echium wildpretii) wird in der deutschen Sprache auch als Teide Natternkopf bezeichnet. Sie wurde von dem Schweizer Botaniker Hermann Wildpret (1834-1908) entdeckt, der ab 1860 im Botanischen Gartens in Puerto de la Cruz als Obergärtner arbeitete.
Die im Spanischen als Tajinaste Rojo bezeichnete Pflanze ist eine widerstandsfähige Pflanze, die die im Teide Nationalpark vorherrschenden extremen Temperaturen im Sommer wie im Winter problemlos aushält. Die Pflanzen müssen mit Wasserknappheit, Temperaturschwankungen von bis zu 20 Grad am Tag, starker UV-Strahlung und rund 100 Frostnächten im Jahr überleben können. Aus diesem Grund haben sie kleine Härchen und schützendes Wachs entwickelt.
Kein Kalenderblatt und kein Reiseführer über Teneriffa, auf denen nicht in der einen oder anderen Form eine rot blühende Taginaste abgebildet ist. Diese Blume ist so etwas wie ein Wahrzeichen der Insel Teneriffa und wird hier auch „Orgullo de Tenerife“, „der Stolz Teneriffas“ genannt.
Um die beeindruckenden großen roten Blüten zu sehen, kommen nicht nur die Touristen, sondern auch die Inselbewohner selber hier hoch in ihren Nationalpark. „Um die gleiche Zeit und jedes Jahr“, wie mir ein Einheimischer mit ernstem Gesicht versicherte. Auch ich wollte in diesem Jahr auf keinen Fall die blühenden Taginasten verpassen und machte mich am letzten Sonntag auf den Weg, um an den Roques de García die roten „Wunderblumen“ zu suchen.
Auf dem Wanderweg Nummer 3 startete ich früh am Morgen vom Straßenrondell Mirador de la Ruleta. Um die frühe Zeit war ich noch vollkommen allein im Teide Nationalpark. Jedenfalls war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Der Rundwanderweg führt zunächst beständig unterhalb des Felsmassivs des Roque Cinchado an einer Absperrung entlang. Auch der Finger Gottes ragte noch vollkommen einsam aus dem Massiv hervor. Er glänzte rötlich im Morgenlicht und wartete anscheinend mit morgendlicher
Gelassenheit auf das Fotogewitter, das in einigen Stunden auf ihn hereinbrechen würde.
Rechts breitete sich die weite Ebene des Nationalparks aus, an deren Ende der mächtige Teide vor mir in den Himmel ragte. Ich lief in kleinen Serpentinen auf dem Weg, der mich unterhalb der Felsen entlang führte. Dabei hielt ich Ausschau nach den Taginasten, die am Rand von Lavafeldern und zwischen den Felsen zu finden sein sollten. Nach 20 Minuten kam ich an die Weggabelung, an der der Weg zum Pico Viejo rechts abzweigt und erreichte unmittelbar darauf die letzten Felsen des Massivs, die Roques Blancos. Taginasten hatte ich bis dahin immer noch nicht entdeckt und wurde bereits ein wenig unruhig.
Ich passierte die Abbruchkante des Llano de Ucanca, ging auf einem steinigen Weg um weitere große Felsen herum und stieg dann unmittelbar auf einem großen Lavafelsen bergab. Der eigentliche Weg führt in Serpentinen um den Felsen herum und ist gut mit Steinmännchen gekennzeichnet. Doch mir machte die kleine Kraxeltour über die Felsen nichts aus, denn ich hoffte weiterhin – möglicherweise auf dem felsigen Untergrund des Lavabrockens – auf Taginasten zu treffen. Unten am Lavafels angekommen, liefen die Wege wieder zusammen ohne dass ich die roten Büsche entdeckt hätte. Ich befand mich auf der Ucanca Ebene und war umgeben von vielen zackigen Felsgebilden. Hier auf der anderen Seite des Felsmassivs angekommen, wanderte ich auf einen großen Felsen, der wie eine Kathedrale in den Himmel ragt und deshalb auch Cathedral heißt, zu. Und dann plötzlich sah ich sie.
Zu meiner linken Seite am Hang des Felsmassivs standen überall zwischen den Felsen einzelne hohe rot blühende Taginasten. Diese Blütenpyramiden setzten kräftige rote Akzente in die Landschaft. Ich konnte auf kleinen Nebenpfaden vom Hauptpfad abweichen. Den Hang hoch steigen, um die beeindruckenden Pflanzen aus der Nähe betrachten zu können. Der gesamte Hang blühte in allen möglichen Farben. Jetzt im Mai sprießt überall aus der Lava Erde eine bunte Vielfalt an Farbtupfern aus der Landschaft. Die Büsche der Besenrauke blühen leuchtend gelb, das Teide Veilchen dazwischen kräftig lila und der Teide-Lack rot, weiß und rosa. Doch am prächtigsten sind einfach die roten über alles hinaus ragenden Taginasten.
Während ich fotografierte, bemerkte ich auf einmal einen anderen Wanderer hinter mir. Der erste Wanderer, dem ich hier am frühen Morgen begegnete. Es war ein älterer Herr aus Teneriffa, der mir erzählte, dass er jedes Jahr zur Taginastenblüte hier hoch käme. Er erklärte mir, dass die Tajinaste Rojo eine endemische Pflanze sei. Das heißt, dass sie nur auf Teneriffa und La Palma zu bewundern sei.
Die Taginasten seien in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts weitaus seltener vorgekommen als heute, da zu der Zeit die Ziegenherden im Sommer in den Cañadas geweidet hätten und die Rosetten der Tajinasten von den Ziegen als Futter aufgefressen worden seien. Später nachdem das Gebiet 1954 zum Nationalpark erklärt wurde, wäre nach und nach immer mehr auf die Einhaltung des Naturschutzes geachtet worden. Seit den 90ger Jahren seien auch Wildhüter unterwegs und Ziegenherden in den Cañadas verboten, was den Tajinasten zu mehr Verbreitung verholfen hätte.
Obwohl die Pflanzen nun geschützt sind, ist die Nachkommenschaft der Tajinasten im Verhältnis zu den vielen Samen, die die Pflanze ausbildet, wegen des steinigen Untergrunds, relativ gering. Ich war froh so viel über den Nationalpark und die Taginasten zu erfahren und fragte weiter. „ Tajinasten gehören zur Familie der Raublattgewächse und sind botanische gesehen Büsche.
Sie kommen in Höhenlagen von 1600 bis 2000 Metern zwischen Felsspalten und auf steinigen Untergrund vor“, gab mir der nette ältere Wanderer gerne Auskunft. „Die grau silbernen Blätter werden bis 60 Zentimeter breit. Die Pflanze hat ab dem zweiten bis dritten Lebensjahr tausende von Blüten, aus denen wie Schlangenzungen die langen Griffel herausragen. Daher sagt Ihr Deutschen auch Natternkopf zu den Tajinasten.“ Hier hatte ich tatsächlich einen wahren Taginasten Kenner getroffen. Freudig bedankte ich mich bei dem freundlichen Herrn für die Informationen.
Ich ging zurück auf den Weg und lief unmittelbar auf den Cathedral Felsen zu, an dem ab und zu Kletterer zu beobachten sind. Am frühen Sonntagmorgen waren jedoch noch keine Kletterer zu sehen. Dafür sah ich aus der Ferne einige Skater auf der zu dieser Zeit am Morgen noch etwas verlassenen Cañadas Straße schnell dahin gleiten. An der Weggabelung vor dem Felsen hielt ich mich links. Rechts geht es weiter über die Ucanca Ebene. Nach deren Durchquerung geht der Weg auf die Cañadas Straße zurück, auf der man nach kurzer Zeit am Straßenrand zum Ausgangspunkt zurückkommt.
Ich bevorzugte jedoch den kürzeren, aber auch steileren Aufstieg zum Ausgangspunkt der Tour. Es ging nach dem Cathedral Felsen noch einmal recht steil durch einen Hang hinauf zum Mirador. Zum Abschluss meiner Wanderung hatte ich dann noch eine weitere Begegnung mit den rot blühenden Büschen. Beim aufwärts wandern im Hang kam ich unmittelbar an den Taginasten vorbei. Doch dort befanden sich nicht nur blühende Taginasten. Auch die sogenannten Skelette aus dem Vorjahr waren dort noch zu finden. Nach dem die Blüten vergangen und die Samen im Herbst ausgereift sind, sterben die Pflanzen ab. Übrig bleiben diese grauen Skelette, die häufig noch im kommenden Jahr einige Zeit lang aufrecht in die Höhe ragen oder neben den neuen Pflanzen – wie dort im Hang – zu finden sind.
Als ich nach meiner kleinen Rundtour wieder am Mirador ankam, war ich nicht mehr allein. Das im morgendlichen rot leuchtende Felsmassiv glänzte nun in gleißender Sonne unter strahlend blauen Himmel. Acht Busse, viele Fahrzeuge und eine große Motorradgruppe parkten unterhalb des Felsmassivs, um den Finger Gottes und die Caldera abzulichten. Die rot leuchtenden Taginasten werden sie dort oben allerdings vergeblich suchen.<
Information:
Anforderung: leichte Wanderung auf gut gekennzeichneten Wegen
Zeit: je nach Tempo und Kondition 1 bis 2 Stunden
Jahreszeit: Die Rundwanderung lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Am beeindrucktesten ist sie zur Blütezeit der Taginasten von Anfang Mitte Mai bis Mitte Juni.
Höhenunterschied: ca. 200 Meter
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