von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Kanaren «
Der Kaffee in der Warteschlange
Oliver Rueda, der Besitzer des Cafés hOlé hOlé in Santa Cruz, reagierte angemessen verdutzt, als vor einiger Zeit ein Kunde in seine Bar kam, einen Kaffee bestellte und ihn danach aufforderte, bitte zwei Kaffees zu berechnen. Dass jemand freiwillig mehr bezahlt als gefordert, kommt schließlich nicht alle Tage vor. Schon gar nicht in Zeiten, in denen das Geld immer knapper ist und viele Menschen es sich nicht leisten können, auch nur einen einzigen Kaffee in einer Bar zu trinken.
Der Kunde erklärte dem Barbesitzer die Idee hinter der Aktion „Cafe pendiente“. Was man nur unzulänglich mit „Kaffee in der Schwebe“, oder „wartender Kaffee“ übersetzen könnte. Es geht darum, auch ärmeren Menschen einen Kaffee zu ermöglichen.
Im Zuge der Krise ist dieses kleine Vergnügen, das für viele früher selbstverständlich war, oft nicht mehr zu bezahlen. Es ist aber nicht nur der Kaffee, sondern in immer mehr Fällen auch das tägliche Essen. Das sich so mancher nur noch schwerlich leisten kann. Deshalb wurde in den sozialen Plattformen des Internets eine Idee aufgenommen, die traditionell aus der italienischen Stadt Neapel kommt. Dort aber, ebenfalls aus Geldmangel, in Vergessenheit zu geraten drohte. Um diese menschliche Form der Unterstützung bedürftiger Mitbürger zu retten und bekannt zu machen, trug man die Idee auf Facebook und Co. in die weltweite Öffentlichkeit. Immer mehr Restaurants und Bars haben sich der Bewegung angeschlossen. Auf Teneriffa war es Oliver Rueda, der angeregt durch seinen Kunden, eine kleine Holzbox aufstellte um Geld zu sammeln.
Rueda erwartet keinen Missbrauch
Dass die Idee von dreisten Schnorrern missbraucht werden könnte, glaubt Rueda nicht. Man sieht den Leuten an, ob sie wirklich Hunger haben, sagt er. Viele schämten sich trotz ihrer Notlage, in eine öffentliche Suppenküche zu gehen. Da sei es einfacher, in einem normalen Restaurant zu fragen, ob es vielleicht einen „Café pendiente“ gibt. Auch früher schon sind ab und zu Bedürftige in seine Bar gekommen, die nach einem Gratisbrötchen fragten. Abgewiesen hat er sie nie. Aber jetzt müssen sich diese Menschen nicht mehr als Bettler fühlen. Ist doch das, was sie bekommen, längst von einem anderen Gast bezahlt.
Diese Form der Solidarität unter den Menschen findet immer mehr Unterstützer, vielleicht auch aus dem Bewusstsein heraus, dass es in diesen Zeiten jedem passieren kann, in eine Situation zu geraten, in der er auf die Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen ist.
Um die Möglichkeit, einen „Cafe pendiente“ zu bekommen, auch weithin sichtbar zu machen, hat der Besitzer einer Druckerei aus der Nachbarschaft von Oliver Rueda kostenlos Plakate gedruckt, die jedes Lokal, das an dem Projekt teilnimmt, bekommen kann.
Am schönsten ist es für Rueda, wenn er, wie erst kürzlich, eine Familie mit zwei Kindern, die augenscheinlich Hunger, aber nur wenig Geld hatten, dank des Geldes in seiner Holzbox einladen kann. Er hat sie aufgefordert wiederzukommen, das werden sie sicher tun, denn hier sind sie Gäste, keine Bittsteller. Wenn sich ihre ökonomische Situation wieder gebessert hat, werden sie bestimmt dem hOlé hOlé als zahlende Kunden treu bleiben.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben