von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Lanzarote «

Julia und die Spekulanten

Wir befinden uns im Jahre 2014 nach Christi Geburt. Ganz Lanzarote ist von den Touristen besetzt. Ganz Lanzarote? Nein, eine kleine, unbeugsame Frau leistet seit Jahren Widerstand. So wie in den bekannten Asterix-Comics könnte die Geschichte einer Frau beginnen, die allen Angeboten von Spekulanten und Geschäftemachern widerstanden und ihr kleines Grundstück mit einem bescheidenen Häuschen darauf gegen alle Angriffe der Bau- und Tourismusindustrie verteidigt hat.

Marisol Ayala erzählt in einem kurzen Artikel in der Zeitung La Provincia die Geschichte der 80-jährigen Julia, die in einem Sumpf aus Korruption und Vetternwirtschaft überlebt hat und deren kleines Häuschen heute inmitten riesiger Hotels als einsames Mahnmal gegen die ungezügelte Bauwut der vergangenen Jahre steht.

Lanzarote sollte anders sein

Lanzarote sollte eigentlich von den Fehlern auf den anderen Inseln der Kanaren verschont bleiben. Cesár Manríque, der wohl berühmteste Sohn der Insel, Architekt, Künstler und Umweltschützer, wollte seine Insel erhalten und kämpfte stets dagegen, dass hässliche Betonklötze die eigenwillige Schönheit der schwarzen Vulkaninsel zerstören. In manchen Fällen ist es ihm gelungen, oftmals jedoch auch nicht.

Zu groß waren die Verlockungen des Geldes, das wie so oft aber nur einigen Wenigen zu großem Reichtum verholfen hat. Mit Korruption und Kungelei zwischen Politikern, Unternehmern und Beamten wurden Gesetze und Verordnungen missachtet, um größtmöglichen Profit zu machen. Diese Art und Weise, allgemein gültige Regeln des Zusammenlebens außer Kraft zu setzen, ist auch auf Lanzarote weit verbreitet. Immer wieder gibt es Prozesse gegen skrupellose Profiteure auf der Insel. So wird aktuell gegen Pedro de Armas, den Gründer der Nationalistischen Partei von Lanzarote, ermittelt. Bei ihren Nachforschungen stießen die Ermittler auf 112 Grundstücke und Häuser, neun Schiffe und mehr als 60 Bankkonten mit beträchtlichen Einlagen, die der Politiker mit der Zeit angehäuft hat. Mehrere hundert Millionen Euro aus oftmals nicht astreinen Immobiliengeschäften flossen über diese Konten und machten den Politiker zu einem reichen Mann.

Bekannt sind auf Lanzarote derzeit etwa 800 illegale Bauten, die nur errichtet werden konnten, weil eine verschworene Gemeinschaft von Akteuren nicht so genau hingeschaut hat, wenn es etwa eine Provision, ein gutes Schmiergeld oder sonstige Bonifikationen zu verdienen gab. Immer öfter fallen diese krummen Geschäfte nun auf. Legt man die Quadratmeterzahl aller Gebäude zu Grunde, gibt es heute auf keiner Insel der Kanaren mehr Beschuldigte in Korruptionsprozessen und Verdächtige in vergleichbaren Anklagen, als auf Lanzarote. Doch das Übel ist noch lange nicht ausgerottet.

Kleine Frau mit großem Mut

Mit den großen und kleinen Spielern in diesem Geschäft hat auch Julia Bekanntschaft gemacht. 80 Jahre ist sie alt, kann weder richtig lesen noch schreiben und hat trotzdem allen Versuchungen und Angeboten getrotzt, die sie im Laufe der Jahre erhalten hat.

Es war das Jahr 1962, als ihr Mann ein kleines Grundstück mit einer Hütte am Strand von Playa Blanca für die junge Familie kaufte. Elf Kinder haben sie in ihrem bescheidenen Heim großgezogen. Lange Zeit hat sich niemand für sie und ihr kleines Reich interessiert. Doch 1997 änderte sich dies schlagartig. Es gab einen neuen Bebauungsplan für die Strandzone. Neue große Hotels entstanden, die Gäste wurden mehr, und weitere Hotels mussten her. Playa Blanca, wie man es heute kennt, schoss aus dem Boden, der hier sonst nicht viel hergibt. Und jetzt wurde auch das Grundstück von Julia für die Spekulanten, Baufirmen und Hotelketten interessant.

Unzählige Angebote hat sie erhalten und alle abgelehnt. Auf den ersten Blick waren die Summen, die der einfachen Frau geboten wurden, nicht schlecht. Doch in Wirklichkeit war das Grundstück ein Vielfaches dessen Wert, womit man Julia abspeisen wollte. Aber wie viel man ihr auch geboten hätte, das Geld interessierte sie nicht. Sie wollte bleiben, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbracht hatte. Und da ist sie noch immer. Um sie herum riesige Hotels und Apartmentanlagen und Menschen, die heute kommen und morgen gehen. Julia bleibt. In ihrem kleinen Haus, das es für kein Geld der Welt zu kaufen gibt. Ihr Haus ist das kleine gallische Dorf, das die Römer niemals einnehmen werden. Zumindest so lange sie lebt.

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