von Kathrin Switala (Kommentare: 0) in Kategorie » La Gomera «

Legenden: Jahrhundertealter Mythos um die “magische Insel” lebt

Ganz gleich, auf welcher Kanareninsel man sich befindet, allgegenwärtig ist der Name einer Insel, deren Existenz seit Jahrhunderten umstritten ist. Er ziert Hotels, Stadtteile, Bars, Restaurantes und Bodegas, die Rede ist von „San Borondón“. Eine Insel, deren Existenz durch Zeichnungen, Berichte und sogar Eintragungen in verschiedenen alten Seekarten belegt wurde und dennoch nicht real ist. Nur allzu gern würden die Canarios sie als die 8. offizielle Insel des Archipels aufnehmen, doch sie zeigt sich nur gelegentlich, ist da und wieder verschwunden. Im Laufe der Zeit hat sie sich viele Beinamen erworben und wird unter anderem auch als die „Isla mágica“, die magische Insel“, „Non Trubada“, die Unerreichbare oder auch „Isla Flotanda“, die Treibende bezeichnet. Letzterer scheint hierbei der zutreffendste Name zu sein, taucht die Insel doch nicht immer an exakt der gleichen Stelle auf. Was hat es nun aber mit dieser Insel auf sich?

Geschichte und Zeugnisse eines Phänomens

San Borondón wurde bereits im Mittelalter durch den Admiral der osmanischen Flotte und Kartographen Piri Reis erwähnt. Ihren Namen verdankt sie dem irischen Mönch Saint Brandan, welcher die Insel in Begleitung weiterer Glaubensbrüder im Jahre 512 bereist haben soll. Das Eiland wurde damals schon in offiziellen Seekarten verzeichnet, was seinerzeit jeglichen Zweifel an ihrer Existenz begrub und auch heute noch allerlei Gründe für Spekulationen gibt.

So zogen die Seefahrer, vor allem aus England und Spanien, immer wieder aufs Meer hinaus, um die sagenumwobene Insel zu finden. Unter ihnen auch Christoph Kolumbus, der Entdecker Amerikas. In seinen Aufzeichnungen fand man Aussagen der Bewohner von La Gomera, die in westlicher Richtung hin und wieder Land sehen konnten. Dennoch gelang es ihm nicht, die Existenz dieser Insel zu belegen.

Ein knappes Jahrhundert später berichtete der Portugiese Pedro Velho davon, auf seinem Weg von Südamerika auf San Borondón gestrandet zu sein. Schlechte Wetterbedingungen zwangen ihn aber, das Eiland eilig wieder zu verlassen, da sein Schiff drohte, an den Klippen zu zerbrechen, wäre er geblieben. Auch ihm gelang es so nicht, wirkliche Beweise für ihre Existenz zu erbringen. Ebenso wenig dem kanarischen Historiker Don José de Nieray Clarijo, der im 18. Jahrhundert einen Bericht seiner Sichtung verfasste und diesen mit weiteren Zeugen zu untermauern versuchte. Es blieb schliesslich immer bei simplen Behauptungen.

Doch die Menschen wurden über die Jahrhunderte hinweg nicht müde, die Wahrhaftigkeit der Existenz zu belegen. So reihte sich auch der britische Naturforscher Edward Harvey 1865 in die Geschichte der Suchenden ein und startete im Januar des Jahres seine Expedition zu dieser mysteriösen Insel. Bereits 3 Jahre zuvor hatte er während seines Aufenthaltes auf Teneriffa von der „isla mágica“ gehört und war überzeugt, die Insel zu finden. Auch er kam lediglich mit Aufzeichnungen über Fauna, Flora und Geografie der Insel zurück und wurde darauf für verrückt erklärt. Man sah in ihm einen typischen Seefahrer, der gebeutelt von Sturm und Wind auf hoher See keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und seine Aufzeichnungen lediglich seiner Phantasie entsprangen. Selbst Fotos konnten die Menschen nicht überzeugen.

Der Autor Pedro González Vera war sich sicher, die Insel gesehen zu haben und verfasste darüber im Jahre 1936 ein ganzes Buch. Mitte des 20. Jahrhunderts veröffentlichte eine spanische Zeitung ein Foto der Insel. 1983 meldete sich eine palmerische Augenzeugin. All diese Vorkommnisse reichten dennoch nicht, den endgültigen Beweis für die Existenz von San Borondón zu erbringen.

Barranco del jurado
Blick nach Westen am Barranco del Jurado

Der Mythos lebt weiter

Wenn auch bis heute kein Beweis erbracht werden konnte und es im Zeitalter modernster Technik, wie GPS, sehr unwahrscheinlich ist, San Borondón doch noch zu finden, so lebt sie trotzdem irgendwo tief in den Herzen der Menschen weiter. Der Schriftsteller Horst Uden widmet sich ihr in seinen „Kanarischen Legenden“ und schreibt von der „Geisternden Insel“. Das Rathaus von Los Llanos de Aridane stellte schon einmal ein detailgetreues Modell der Insel aus.

So mancher legt sich in der kürzesten Nacht des Jahres, der „Noche de San Juan“ auf die Lauer, um San Borondon zu erspähen. Bei Sonnenuntergang und Morgendämmerung soll sie von La Palma aus gen Westen zu sehen sein. Ein guter Platz dafür ist beispielsweise der Aussichtspunkt „Mirador del Jurado“, der sich unterhalb der Hauptstraße von La Punta nach Tijarafe im Ortsteil „El Jesús“ befindet. Die dort aufgestellte Info-Tafel weist unter anderen auch auf die Legende um die Insel hin. Hier gibt es auch einen sehr schönen Wanderweg an der Steilküste hinunter zum Strand „Playa del Jurado“(Achtung beim Baden! Starke Strömungen und nur im Sommer zu empfehlen!). Nach dem Badestopp kann man sich dann am Mirador gemütlich auf die Lauer legen und abwarten, was da kommt oder nicht kommt. Selbst, wenn die Insel sich nicht zeigen sollte, hat man von hier einen gigantischen Ausblick auf die Westküste. Interessant ist dabei und unbedingt zu erwähnen, dass sich die Aussagen über das Aussehen und die Lage der Insel sehr ähnlich bis nahezu identisch sind. Gibt es sie am Ende doch?

Info-Tafel mit alter Seekarte und der Insel San Borondon
Info-Tafel mit alter Seekarte und der Insel San Borondon

Was steckt hinter dem Phänomen von San Borondón?

Laut alter Seekarten beschreibt man die Lage der mysteriösen Insel präzise mit genauen Koordinaten zum Meridian von El Hierro. Wie kann etwas so exakt bezeichnet sein, was doch eigentlich gar nicht existiert?

Durchgesetzt hat sich offenbar die These, dass es sich bei der Erscheinung der Insel um eine Luftspiegelung handelt. Ebenso verbreitet ist aber auch die Annahme, es könnte sich um Wolkenformationen handeln, welche die Phantasie der Menschen beflügeln. An der Stelle, an der die Insel am häufigsten auftaucht, ist der Ozean ca. 6000 m tief, da sich dort ein sogenanntes „Hoyo Grande“, also ein tiefes Meeresloch befindet. Von Nutzen für eine bessere Erklärung war das Wissen darum jedoch auch nicht. So gehen die Spekulationen wohl weiter, aber wer weiß? Vielleicht macht man sie ja im nächsten Jahrhundert dingfest und etabliert sie als letzte Steueroase des 21. Jahrhunderts.

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