von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Kanaren «

Trotz Besucherrekord weniger Beschäftigte im Tourismus

Seit einiger Zeit verzeichnen die Kanarischen Inseln mit schöner Regelmäßigkeit jeden Monat neue Rekorde bei den Hotelbuchungen. Nie zuvor gab es mehr Menschen, die ihren wohlverdienten Urlaub auf den Inseln des ewigen Frühlings vor der afrikanischen Küste verbracht haben. Doch trotz der 12 Millionen Touristen, die die kanarische Sonne zuletzt genossen haben, hatten diese erfreulichen Zahlen keine positive Auswirkung auf den Arbeitsmarkt.

Im gleichen Zeitraum, in dem man immer neue Rekordzahlen verkündet hat, haben mehr als 12.000 Beschäftigte des Sektors ihre Arbeit verloren. Auch wenn die Zahl der Angestellten in den Hotels leicht angestiegen ist, hat man doch viele Stellen in den Bereichen, die direkt vom Tourismus abhängig sind, gestrichen. Um 6,4 % ist die Zahl der Arbeitsplätze in den letzten zwölf Monaten gesunken. Beschäftigte in Reiseagenturen, in der Gastronomie, im Unterhaltungsbereich und anderen Sektoren des Tourismus müssen in Zukunft zu Hause bleiben und sich in das Heer der Arbeitslosen auf den Kanaren einreihen.

Nur wenig mehr Beschäftigte in den Hotels

Da kann der leichte Anstieg der Beschäftigung in den Hotels nicht wirklich über das Problem hinwegtäuschen. Besonders dann, wenn man die Art der Arbeitsverträge und die Arbeitsbedingungen in der Beherbergungsindustrie betrachtet.

Wer es geschafft hat, eine Stelle in einem Hotel zu ergattern, der muss sich auf unbezahlte Überstunden und eine Arbeitsbelastung einstellen, wie es sie zuvor nicht gegeben hat. In den Spitzen müssen die Angestellten jederzeit auf Abruf bereitstehen, in den Zeiten mit weniger Arbeit schickt man sie ohne Vorankündigung nach Hause, wo sie dann ohne Bezahlung auf ihren nächsten Einsatz warten müssen. Wer sich gegen diese Form der Ausbeutung auflehnt und gerechtere Arbeitsbedingungen fordert, wird auf die lange Schlange derer verwiesen, die vor den Hoteltüren stehen und selbst unter diesen Bedingungen bereit sind zu arbeiten, da sie keine andere Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Zahl der Servicekräfte in den Restaurants der Hotels ist nur geringfügig gewachsen, und so müssen die Kellner immer mehr Gäste gleichzeitig bedienen. Nicht besser sieht es beim Housekeeping aus, wo die Reinigungskräfte ständig mehr Zimmer in der gleichen Zeit sauber machen müssen. Betrachtet man all diese Umstände und die Tatsache, dass viele der Verträge in den Hotels Zeitverträge mit einer sehr begrenzten Stundenzahl sind – sogar Arbeitsverhältnisse mit zwei Stunden pro Woche hat man schon abgeschlossen – relativiert sich auch der leichte Anstieg der Beschäftigtenzahlen in den Hotels.

Zudem stellt man verstärkt eine Zunahme der sogenannten Autonomos fest. Dies sind kleine Selbstständige, die Arbeiten verrichten, die die Hotels ausgegliedert haben, um Kosten zu sparen. Da diese angeblichen Kleinunternehmer in Wirklichkeit aber am Ende doch von nur einem Auftraggeber abhängig sind, ist ihre unternehmerische Tätigkeit eher eine Scheinselbstständigkeit, die dem Betroffenen keinerlei Vorteile bringt, dem de facto Arbeitgeber aber die Sozialabgaben spart und lästige Kündigungsfristen vermeidet.

Tourismusboom nutzt nur den großen Hotelketten

In Anbetracht dieser Fakten kann man also feststellen, dass der Touristenboom auf den Kanarischen Inseln vielleicht die Renditen einiger weniger Nutznießer erhöht hat, die breite Bevölkerung, die auf jeden Euro angewiesen ist, von der an sich positiven Entwicklung aber nicht profitieren kann.

Der Rückgang der Beschäftigtenzahlen in den vom Tourismus direkt abhängigen Sektoren wird von vielen Experten mit den zunehmenden All-inclusive-Angeboten begründet. Immer mehr Urlaubsgäste buchen diese „Einmal bezahlen – alles drin“ Pakete, um die Kosten für ihre Ferien besser kalkulieren zu können. Wenn aber niemand mehr sein Hotel verlässt, um in einem netten kleinen Restaurant den Abend zu genießen, und viele lieber den vermeintlichen Gratisdrink an der Hotelbar ordern, statt in einer schicken Bar am Strand ihren Sundowner zu bestellen, profitieren wiederum nur die den Markt bestimmenden Hotelketten, die diese umstrittenen Pakete anbieten.

Der Reiz einer Urlaubsregion wird aber nicht durch die in aller Welt vergleichbaren großen Hotels bestimmt, sondern von den kleinen Geschäften, Bars und Restaurants, weil sie individuelle, landestypische Atmosphäre und eine persönliche Betreuung versprechen, die in den gigantischen Hotelburgen nicht geleistet werden kann. Werden aber die Angebote der kleineren Unternehmen immer weniger genutzt, so müssen diese bald schließen, und es droht auf lange Sicht der Identitätsverlust einer Region. Eine Entwicklung, die man den Kanaren ersparen sollte.

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