von Leonie Reuter (Kommentare: 0) in Kategorie » Kanaren «

Traditioneller Sport auf den Kanaren

Auf den kanarischen Inseln gibt es viele Möglichkeiten draußen in der Natur Sport zu treiben. Denn die Inseln bieten Berge, Meer und lange Sandstrände. Wassersport jeglicher Art bietet sich daher genauso an, wie Wandern, Klettern und Rad fahren. Doch neben den vielen Sportarten, die überall auf der Welt betrieben werden, gibt es auf den kanarischen Inseln ganz besondere Sportarten. Diese traditionellen Sportarten finden sich jedoch nur hier und ansonsten nirgendwo auf der Welt.
Zu diesen inseltypische Sportarten zählen der kanarische Ringkampf (Lucha Canaria), der Hirtensprung (Salto del Pastor) und das althergebrachte Stockspiel (Juego del Palo). Noch nicht gehört? Das alles sind Sportarten, denen nach Überlieferungen bereits die Vorfahren der heutigen Einwohner der kanarischen Inseln, die Guanchen, nachgegangen sind.

Diese traditionellen und heimischen kanarischen Sportarten haben auf den sieben Inseln in den letzten Jahren immer mehr an Popularität zugenommen. Nicht nur die Einwohner der Kanaren besinnen sich auf die alten Traditionen. Auch die Touristen interessieren sich verstärkt für diese Art der Freizeitbeschäftigung.

Der Lucha Canaria – der kanarische Ringkampf

Der Lucha Canaria ist der Kanarische Ringkampf, der auf allen Kanarischen Inseln betrieben wird. Er gilt als die populärste traditionelle Sportart. Diese Sportart üben viele einheimische Vereine aus. Der Ringkampf wird durch den seit 1943 bestehenden Verband Federación de Lucha Canaria organisiert.Einen Überblick über die Vereine, Kämpfe und Termine verschafft das Red Social de la Lucha Canaria. Insgesamt soll es auf den Kanarischen Inseln mehr als 4000 kanarische Ringkämpfer geben, die in über 100 Vereinen organisiert sind. Der Sport ist so beliebt, dass Profikämpfe sogar im Fernsehen zu sehen sind. Die herausragenden Luchaderos, wie sich die Kämpfer nennen, sind tatsächlich echte Regionalhelden.

Der Kanarische Kampf ist ein Erbe der Ureinwohner der kanarischen Inseln. Beschreibungen dieser Kampfsportart befinden sich in vielen historischen Quellen. „Zweikämpfe“ in Form von Ringkämpfen kannten bereits die alten Römer, Griechen und Ägypter. Kämpfe, häufig auch mit ritualer Bedeutung, ob es eine religiöse, kriegerische und soziale war.

J. P. Camacho schreibt in seinem Buch über die Guanchen, dass die erste historische Erwähnung der Lucha Canaria aus dem Jahr 1420 in der königlichen Chronik von Juan II von Kastilien stamme. Doch betrieben hätten die Guanchen diese weit früher, hunderte von Jahren vor unserer Zeitrechnung. Die Ureinwohner der kanarischen Inseln sollen sich in einer sehr guten körperlichen Verfassung befunden haben. Sie sollen ihre Kinder bereits im frühesten Alter in allen möglichen Sportarten trainiert haben, die sie für das Überleben auf den Inseln benötigten. Die uralte Form des Lucha Canaria diente den Ureinwohnern einst zur Verteidigung, zur Körperertüchtigung und auch zur Lösung von Alltagskonflikten. Auf diese Weise wurden in alter Zeit zum Beispiel Streitereien um Ländereien oder Familienzwiste „gelöst“. Heute ist die Lucha Canaria ein einzigartiges Kulturerbe.

Die Regeln

Der Ringkampf findet auf einem großen mit Sand ausgestreuten Kreis, der einen Radius von 10 Metern aufweist, statt. Zwei Ringer stehen barfuß und Schulter an Schulter aneinander und greifen dabei an das aufkrempelte Hosenbein des Gegners. Aus dieser Position heraus soll der gegnerische Ringer in kürzester Zeit fallen. Den Kreis darf man nicht übertreten und der gegnerische Ringer muss so fallen, dass seine Füße nicht den Boden berühren. Er muss mit einem anderen Körperteil als den Füßen den auf dem Boden aufkommen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Ringkämpfer den Gegner mit viel Geschick und Kraft und Anwendung spezieller Techniken zu Boden zwingen. Gelingt dies mehr als einmal, hat der Gegner verloren.

Der Lucha Canaria ist ein Mannschaftssport. Zwei Mannschaften mit je 12 Kämpfern (das können heutzutage auch durchaus Frauen sein) kämpfen in den kurzen Kämpfen gegeneinander. Zwei gegnerische Ringer jeder Mannschaft kämpfen in drei Runden gegeneinander. Gewinner ist der Ringer, der mindestens zwei Runden gewonnen hat.

Doch neben der bekanntesten traditionellen Sportart gibt es noch weitere althergebrachte Disziplinen, die man auf den kanarischen Inseln praktiziert.

Vela Latina – Segeln mit „lateinischem Segel“

Vela Latina bedeutet „lateinisches Segel“. Es handelt es sich um eine alte kanarische Segeltechnik. Der eigentliche Ursprung dieser Segelsportart, die mit den Ureinwohnern der Kanaren in Verbindung gebracht wird, ist bis heute jedoch nicht geklärt. Praktiziert wird diese Art des Segelns heute hauptsächlich noch auf Gran Canaria, Fuerteventura sowie auf Lanzarote.

Bola Canaria – kanarisches Boccia

Die Bola Canaria ist so etwas wie die Kanarische Variante des Bocciaspiels. Die Spieler versuchen ihre Kugeln so nahe wie möglich an die Setzkugel zu werfen. Ursprünglich wurde die Bola Canaria mit Steinen gespielt. J. P Camacho schreibt in seinem Buch über die Guanchen, dass das „Lanzamiente de piedras“ – das Steine werfen ein vom Charakter her kriegerisches Spiel sei. Um Steine als Wurfgeschosse einsetzen zu können, hätte es sehr großer Beweglichkeit bedurft, über welche die Guanchen offensichtlich verfügt hätten. Das „Steine werfen“ wurde auch für Wettspiele benutzt und um die Kinder der Guanchen in Fertigkeiten der Beweglichkeit zu unterrichten. In späteren Zeiten nach den Guanchen wurden die Steine durch Kugeln aus Holz ersetzt. Heute sind sie zumeist aus Kunstharz.

Steinheben – Levantamiento de piedras

Auch beim Steinheben, dem Levantamiento de piedras, spielen die Steine eine Rolle. Hier handelt es sich ebenfalls um eine traditionelle Sportart der kanarischen Inseln. Heute werden noch jährliche Turniere in vielen kleinen Dörfern, wie zum Beispiel in Tegueste auf Teneriffa, abgehalten.

Nach Überlieferungen diente das Heben von großen Steinen zum Kräftemessen zwischen zwei Gegnern. Geschicklichkeit und Stärke sind für diese Sportart, die sich nach den Eroberungen der Inseln entwickelte, von Nöten. Die Steine werden vor die Brust gehoben, über die Schultern gestemmt. In einigen Wettkämpfen werden sie danach auch noch so weit wie möglich weg geworfen.

Zu dieser traditionellen Sportart gibt es viele unterschiedliche Varianten, wie zum Beispiel das „Levantamiento de ardo“, bei dem ein bis zu 100 Kilogramm schwerer Pflug angehoben wird. Oder das „Levantamiento y pulseo de la Piedra“, das Anheben und Stoßen von Steinen. Beide Sportarten sollen sich als Zeitvertreib bei der Feldarbeit entwickelt haben. Auch das Steine heben erfordert die richtige Mischung aus Kraft, Geschick und Technik.

Der Hirtensprung – Salto del Pastor

Dieser traditionellen Sportart wird gleichfalls nachgesagt, dass sie auf die Ureinwohner, die Guanchen zurückgehe. Ursprünglich half der Hirtensprung oder auch Salto del Pastor den Benutzern des Stockes, die zumeist Viehhirten waren, sich einfach und schnell über die Berge, Schluchten und rauen Felsen zu bewegen. Nach der Überlieferung soll der Sprung auf den westlichen Inseln la Gomera, El Hierro und La Palma entstanden sein und sich von dort über die gesamten kanarischen Inseln verbreitet haben. Der hölzerne Hirtenstab, der Regatón, hat am unteren Ende eine Metallspitze, die als Garrote bezeichnet wird. Sie wird bei jedem Sprung leicht in den Boden gerammt, so dass der Springer einen guten Halt hat. Heute gibt es offizielle Wettbewerbe, in denen die Teilnehmer ihr Können unter Beweis stellen können, in dem sie über Mauern, Hindernisse oder andere angelegte Parcours springen.

Auch viele Wanderer haben den traditionellen Hirtenstock für sich neu wiederentdeckt. Mehr und mehr sind auf den kanarischen Wanderwegen Menschen anzutreffen, die einen Hirtenstab anstatt der flotten Wanderstöcke aus Aluminium bei sich tragen.

Juego del Palo oder Palo Canario – Kanarisches Stockspiel

Weitere traditionelle und sehr beliebte kanarische Sportarten sind die Lucha de Garrote, der kanarische Stockkampf und das Juego del Palo – das kanarische Stockspiel. Beim dem Ersteren wir „richtig“ gekämpft, während beim Zweiten der Kampf mit viel Geschick lediglich simuliert wird.

Beim kanarischen Stockkampf soll jeder Kämpfer versuchen, den Gegner zu besiegen, ohne ihm dabei körperlichen Schaden zuzufügen. Mit einem Stock soll der Gegner unter Anwendung ausgeklügelter Techniken aus dem Gleichgewicht gebracht oder entwaffnet werden.

Beim Stabspiel werden die Schläge nur angedeutet. Auch hier ist die Technik, Bewegung und Konzentration entscheidend. Mit 120 cm bis 180 cm langen Stäben treten zwei Gegner gegeneinander an. Beide deuten die Schläge nur an. Richtig zugschlagen ist verboten, denn der Gegner darf bei diesem simulierten Kampf unter keinen Umständen berührt werden.

Ursprünglich diente der Stock den Hirten als einzige Waffe zur Verteidigung. Später wurde er von den Inselbewohnern auch als Waffe gegen die Spanier eingesetzt. Bis heute wird diese althergebrachte Kampftechnik auf den Inseln praktiziert. So gibt es nicht nur auf Teneriffa viele Sportschulen, an denen das Juego de Palos unterrichtet wird.

Arraste de ganado – Viehtreiben oder Viehziehen

Das Arrast de ganado oder Viehtreiben ist nur noch sehr selten auf den kanarischen Inseln anzufinden, kann aber vereinzelt noch auf Volksfesten beobachtet werden. Unter Einhaltung von dezidierten Tierschutzbestimmungen und so, dass die Tiere garantiert keinen Schaden dabei nehmen, müssen Kühe und Ochsen schwere Steingewichte um die Wette ziehen. Es kommt nicht nur auf die Kraft der Tiere, sondern auch entscheidend auf das Können des Ochsentreibers an.

Traditioneller Sport als Vorbild?

Alle diese traditionellen kanarischen Sportarten finden sich nicht bei Olympia wieder. Sie werden auch nicht von Hochleistungssportlern betrieben, die über hochmoderne Sportgeräte verfügen. Nichtsdestotrotz erfreuen sie sich nicht nur bei den Canarios, sondern auch immer mehr bei den interessierten Touristen an Beliebtheit. Sie sind einfach zu verstehen und sehenswert zugleich. Vielleicht sind sie auf die eine oder andere Weise sogar vorbildlich? Bei der Lucha Canaria, dem kanarischen Ringkampf, ist es eine typische und traditionelle Geste, dass der Sieger dem Verlierer beim Aufstehen hilft und ihn danach an seinen Platz begleitet. So viel Fairness und Sportsgeist ist heutzutage im Sport nicht allerorten üblich.

Artikel von Dagmar – Siebeninseln

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 9 und 9.