von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Kanaren «
Kanarische Gesellschaft driftet immer weiter auseinander
Für den sozialen Frieden in einer Gemeinschaft ist es wichtig, dass die Differenzen zwischen Armen und Reichen nicht zu groß werden. In immer mehr Regionen Europas ist dieser Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft in großer Gefahr. Auch auf den Kanarischen Inseln tut sich ein tiefer werdender Abgrund zwischen den Bevölkerungsschichten auf. Die neuesten Zahlen, die von der Steuerverwaltung, der Agencia Tributaria veröffentlicht wurden, geben einen erschreckenden Einblick in das soziale Gefüge der Kanaren.
Zwischen 2007 und 2012 ist die Bresche zwischen den reichsten und den ärmsten Bewohnern des Archipels um etwa 25% größer geworden. Der Reichtum auf den Inseln konzentriert sich in den Händen einiger weniger Familien. 80% des auf den Kanaren registrierten Vermögens gehört 4.000 Personen, was einem Anteil von lediglich 0,2 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Nur 21 Familien kontrollieren 8 % des Bruttoinlandsproduktes des Archipels. Damit zählt die Region, zusammen mit Madrid und Andalusien, zu den Gebieten in Spanien, wo der Unterschied zwischen Arm und Reich am deutlichsten zu beobachten ist. Und diese Ungleichheit nimmt stetig zu, nirgendwo ist die Gefahr größer, in eine existenzgefährdende Situation abzurutschen.
Das Armutsrisiko stieg in den vergangenen fünf Jahren um 11 von 24 auf 35 %. Die Kluft zwischen denen, die über hohe Einkommen bzw. Vermögen verfügen und jenen, die am Rande des Existenzminimums leben, wächst und ist noch lange nicht überwunden. Auch in den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs stieg der Wohlstand auf den Kanarischen Inseln keineswegs gleichmäßig an. Auch in der Zeit der ökonomischen Blüte partizipierten die Stärkeren weitaus mehr vom Aufschwung als die unteren Einkommensschichten.
Die erst neu entstandene Mittelschicht droht zu zerbrechen
Die Ungleichheit konzentriert sich längst nicht mehr auf die zwei „Randgruppen“ der Gesellschaft. In zunehmendem Maße leidet die erst gerade entstandene Mittelschicht. Sie kamen in den Zeiten des Aufbaus zu einem bescheidenen Wohlstand. Arbeitslosigkeit und Rezession bedrohen immer mehr Existenzen. Viele verlieren ihre Wohnungen, da sie die Hypotheken nicht mehr bedienen können. Erst letzte Woche musste der Bürgermeister von La Laguna persönlich eingreifen, um die Zwangsräumungen in letzter Sekunde zu verhindern. Aber solche Feuerwehraktionen sind kaum geeignet, die Situation nachhaltig zu ändern.
Und auch die neuen Wohnviertel in Las Cruzes im Norden Teneriffas sind nur bedingt geeignet, die Verhältnisse auf langwierig zu verbessern. Natürlich ist die Schaffung von günstigem Wohnraum ein wichtiger Faktor im Kampf gegen die Armut. Die 67 Familien, die nun als erste in die 3- und 4-Zimmer Wohnungen einziehen freuen sich, für günstige Miete ein Dach über dem Kopf zu haben. Aber das Grundproblem wird mit der Schaffung neuer Gettos nicht gelöst. Zur nachhaltigen Lösung der Problematik ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich. Die sozial und ökonomisch sinnvolle Verteilung der Ressourcen muss man neu regeln. Der Bau von 900 Sozialwohnungen ist nur ein Herumdoktern an den Symptomen, die Ursachen der Armut auf den Kanaren wird damit nicht beseitigt.
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