von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Kanaren «

Für Schulschwänzer wird’s jetzt eng

Auf Schulschwänzer und Schüler, deren Leistungen in den Colegios der Kanaren zu wünschen übrig lassen, kommen schwere Zeiten zu. Georgina Molina Jorge stellte jetzt im Auftrag und als Vertreterin des Erziehungsministeriums ein Computerprogramm vor. Dieses Programm erlaubt es den Eltern, in Echtzeit Informationen über die schulischen Leistungen ihres Nachwuchses abzurufen. Vom heimischen Rechner aus oder unterwegs auf dem Smartphone ist es möglich, vielfältige Daten über den aktuellen Leistungsstand der Schüler zu erfahren. Die Noten der letzten Schularbeiten, Anmerkungen der Lehrer, nicht erledigte Hausaufgaben und auch Fehlzeiten im Unterricht sind ab dem Schuljahr 2013 / 2014 jederzeit online verfügbar.

Pincel-Ekade, so der Name der Plattform, füttern die Lehrern in Echtzeit mit Informationen. Sie können von jedem Smartphone aus eingegeben werden. Für jeden einzelnen Schüler legen sie Listen an. Hier werden aktuelle Leistungen, aber auch die aus der Vergangenheit in übersichtlicher Form zusammengestellt. Die Eltern erhalten so jederzeit einen umfassenden Überblick zur schulischen Entwicklung ihres Nachwuchses. Ein kurzer Blick auf die gesicherte Seite, und schon ist man über Defizite und Versäumnisse seiner Kinder informiert. Die Erziehungsberechtigten sind nicht länger nur auf Schulzeugnisse und Elternsprechtage angewiesen. Sie können sich nun auch anderweitig einen aktuellen Überblick über den Leistungsstand ihrer Kinder verschaffen.

Jede Familie erhält eigenen Account

Für jede Familie erstellen die Lehrer eine persönliche Seite. Auf der werden alle Kinder des Haushalts, auch wenn sie auf unterschiedliche Schulen gehen, mit ihrer kompletten Schulhistorie gespeichert. Um Zugang zu den Informationen zu erhalten, müssen sich die Eltern einmal mit ihrer Personalausweisnummer, einer E-Mail-Adresse und einem Passwort registrieren. Danach können sie jederzeit Einblick in die schulische Entwicklung ihrer Kinder nehmen. Außerdem wird die persönliche Seite jeder Familie mit Informationen zum Stundenplan, kommenden Aktivitäten und allgemeinen Daten zur Schule und den Lehrern gefüttert. So will man einen engeren Kontakt von Erziehungsberechtigten und Schule fördern. Außerdem will man die Möglichkeit eröffnen, auf problematische Entwicklungen schneller und somit effektiver zu reagieren.

Druck auf Schüler wächst

Allerdings sehen nicht alle das neue Überwachungsprogramm so positiv wie die Vertreter des Schulministeriums. Kritiker geben zu bedenken, dass sich die Kinder und Jugendlichen durch die permanente Überwachung einem erhöhten Druck ausgesetzt sehen. Dadurch könnte das Verhältnis zwischen Schülern, Eltern und Lehrern gestört werden. Kinder brauchen kleine Freiheiten, um sich zu unabhängig denkenden Erwachsenen entwickeln zu können. Durch die Angst vor der Entdeckung kleinster Fehltritte sind sie immer mehr eingeschränkt. Permanenter Leistungsdruck und das Gefühl, dass jeder Schritt überwacht und bewertet wird, trägt nicht dazu bei, dass Lernen und Schule Spaß macht. Aber nur wer frei und gerne lernt, wird auch auf Dauer erfolgreich sein.

Die kleinen Mogeleien, Geheimnisse und Schulschwänzereien, die das Schülerleben früher so spannend gemacht haben, werden in Zukunft sofort online sichtbar. Und unter Umständen ahndet man sie gleich mit Sanktionen. Der gläserne Schüler ist damit Realität geworden. Big Brother hat also nicht nur bei den Geheimdiensten und den großen Internetkonzernen Einzug gehalten, sondern macht sich nun auch schon bei der Überwachung der Kinder breit. Ob so mündige Bürger erzogen werden, die Dinge und Entwicklungen hinterfragen, ohne Angst vor Repressalien zu haben, ist doch recht fraglich.

Wer sich schon als junger Mensch daran gewöhnt, ständig und überall überwacht und bewertet zu werden, wird als erwachsener Mensch eher angepasst und unkritisch sein. Bleibt zu hoffen, dass sich nicht alle Schüler davon beeindrucken lassen und sich mancher seine jugendliche Rebellion erhält, die so wichtig ist, um gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzudecken und anzuprangern. Ein Computerprogramm, das übermäßige Überwachung und Kontrolle anzeigt, könnte am Ende wichtiger sein, als es Pincel-Ekade ist.

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