von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Gran Canaria «

Ziegen müssen Bäumen weichen

Tief im Westen Gran Canarias gibt es einen Strand, der lange als Geheimtipp galt. Güigüí ist auf dem Landweg nur nach stundenlangen Fußmärschen zu erreichen. Er gehört zu den Stränden der Urlaubsinsel, die vom Massentourismus noch weitgehend unberührt sind. Keine Straße führt hierher, weswegen sich nur wenige Wanderer in diesen Teil Gran Canarias verirren. Von der Seeseite aus jedoch fallen an manchen Wochenenden Ruhesuchende an dem einzigartigen Gestade ein. Angekommen stellen sie fest, dass auch andere diese Idee hatten. Etwas entfernter vom Meer, in den gebirgigen Regionen von Güigüi, bleibt es jedoch normalerweise recht ruhig. Die einzigen Bewohner, die hier bislang ein karges Dasein fristen, sind Ziegen. Sie finden in der Zone eine besondere Speisekarte vor. Solch eine Vielfalt an endemischen Pflanzen gibt es sonst kaum auf der Insel. Doch mit diesen traumhaften Zuständen ist jetzt erst einmal Schluss.

Europäische Gemeinschaft trägt Großteil der Kosten

Die Europäischen Gemeinschaft finanziert ein Projekt. Die Verantwortlichen pflanzen in dem Gebiet 43.000 Bäume, die Forschungszwecken dienen. 50 % der gut 850.000 Euro für das Vorhaben steuert die EU bei. 43% kommen von der Inselregierung Gran Canarias und die restlichen 7 % von Gesplan, einem mit öffentlichen Geldern geförderten Unternehmen.

Sabina, eine Wacholderart, verschiedene Pinien und die berühmte Kanarische Zeder, die mit langen Nadeln ihre Wasservorräte aus den Wolken saugt, sollen hier demnächst angepflanzt werden. Das Projekt Life+Guyguy startet im September. Bis zum Ende des Jahre 2017 soll es neue Erkenntnisse bringen. Beispielsweise, wie abgeholzte Gebiete wieder aufgeforstet werden können. In fünf Etappen beackert man verschiedene Forschungsfelder. Sie alle verfolgen unterschiedliche Intentionen.

Vegetarier haben bei dem Projekt keine Chance

Alles wäre perfekt, wären da nicht die Ziegen, die in ihrer gefräßigen Art nun mal allzu gerne die köstlichen Triebe junger Bäume verspeisen. Um das Projekt also nicht zu gefährden, müssen die ansonsten genügsamen Paarhufer der Wissenschaft weichen und ihre Heimat in Güigüí verlassen. Dies ist denn auch der erste Schritt, den die Wissenschaftler angehen werden. Die Ziegen müssen verschwinden, andere Pflanzenfresser, wie etwa Kaninchen, werden in ihrer Population stark beschränkt. Auch die Ansiedlung neuer vegetarisch lebender Tierarten soll nur in engen Grenzen zugelassen werden, um den Forschungserfolg nicht zu gefährden.

In fünf Schritten zum Erfolg

In einem zweiten Schritt erfolgt dann die Verbesserung der Bedingungen für die Spezies Juniperus spp. canariensis und die schon erwähnte Sabina.

Anschließend folgt die dritte Phase. Sie umfasst die Ansiedlung weiterer Pflanzenarten, die in ihrem Bestand vom Aussterben bedroht sind. Auch in dieser Phase des Projektes wird es eine enge Zusammenarbeit mit den Experten aus dem Jardín Botánico Canario Viera y Clavijo geben, die über große Erfahrung in der Anzucht von seltenen endemischen Pflanzenarten verfügen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren die Experten im Botanischen Garten in Tafira. Ein Besuch in dem wundervollen Park ist immer einen Urlaubstag wert.

Der vierte Schritt umfasst die Dokumentation und Gewichtung der Erkenntnisse, um daraus eine „Gebrauchsanweisung“ für die Aufforstung anderer Gebiete zu erstellen.

In fünften und letzten Abschnitt des Projektes geht es darum, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Durch Führungen und Vorträge machen sie deutlich, über welchen natürlichen Schatz die Kanarischen Inseln mit ihren einzigartigen Wäldern verfügen.

Wichtige Erkenntnisse erwartet

Wissenschaftler und Naturschützer erwarten sich von dem Projekt wichtige Erkenntnisse darüber, wie bedrohte Pflanzenarten auf dem kanarischen Archipel gestärkt und neu angesiedelt werden können. Die einst mit riesigen Wäldern bedeckten Inseln haben im Laufe der Jahrhunderte einen großen Teil ihrer Holzvorräte zunächst dem Schiffsbau, später dann anderen Industriezweigen geopfert. Wenn auch viele Urlauber nur die Strände der Ferieninseln kennen und bevölkern, sind die Berge und die einzigartige Natur der Kanaren ebenfalls ein wichtiges Kapital für die Entwicklung eines alternativen Tourismus, der weniger auf neue Großprojekte setzt, sondern auf einzigartige Naturerlebnisse, die nur dann möglich sind, wenn respektvoll mit den natürlichen Ressourcen umgegangen wird.

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