von Thomas Vollmer (Kommentare: 0) in Kategorie » Gran Canaria «

Wenn Opa in der Klinik zu Hause ist

Nicht immer ist es ganz einfach zu entscheiden, was mit alten und kranken Menschen geschehen soll, wenn sie nach einer Erkrankung aus dem Hospital entlassen werden und in den Schoß der Familie zurückkehren könnten. Was einst selbstverständlich war, nämlich dass man sich in der gewohnten Umgebung um sie kümmerte, wird zunehmend zur Ausnahme und zum Problem für die Kliniken.

Vollpension auch nach der Behandlung

Derzeit gibt es in kanarischen Krankenhäusern 400 Personen, deren Behandlung seit geraumer Zeit abgeschlossen ist, die aber immer noch ein Bett blockieren, da es scheinbar keine andere Möglichkeit gibt sie unterzubringen. 102.000 Euro pro Tag, mehr als 3 Millionen Euro pro Monat verschlingen Kost und Logis für diese Fehlbeleger.

Der größte Teil dieser Menschen wurde von ihren Verwandten einfach nicht abgeholt, einige sind ohne irgendwelche familiäre Bindungen, und wieder andere können einfach nicht nach Hause zurückkehren, weil sie alleine nicht mehr zurechtkommen würden.

Der Präsident der Lokalregierung, Paulino Rivero, beklagte am letzten Montag, dass in diesem Punkt ein Kulturwandel stattgefunden habe. Auch wenn er den Familien nicht direkt vorwarf, ihre hilfebedürftigen Angehörigen zu vernachlässigen oder gar vollends zu ignorieren, musste er für seine Äußerungen heftige Kritik von der gesundheitspolitischen Sprecherin der PP im Regionalparlament, Mercedes Roldós, einstecken. Sie gab zu bedenken, dass es den betroffenen Familien sicherlich nicht leicht falle, ihre Angehörigen im Krankenhaus zu lassen. Bei einer Arbeitslosenquote von 35 % sei es vielen schlicht und einfach unmöglich, die Kosten für ein weiteres Mitglied des Clans zu übernehmen.

Mangel an Pflegeeinrichtungen

Einig sind sich Politiker darin, dass es derzeit einen dramatischen Mangel an öffentlichen Pflegeeinrichtungen gibt. Auch auf den Kanaren werden die Menschen immer älter und traditionelle Familienstrukturen lösen sich auf, sodass die Alten und Kranken auf der Strecke oder eben in der Klinik bleiben. Der Pflegenotstand ist auch auf den Kanarischen Inseln angekommen.

Etwa 300 der betroffenen Ex-Patienten konnten mittlerweile in öffentliche sozialmedizinische Einrichtungen verlegt werden, wo die Unterbringung nicht mehr mit 600 Euro pro Person und Tag wie in einer Klinik zu Buche schlägt, sondern nur noch mit 150 Euro. Aber auch diese Kosten müssen aus den Kassen der öffentlichen Hand bestritten werden. Bei den nicht nur finanziell überforderten Familien ist in der Regel nichts zu holen. Da davon ausgegangen werden kann, dass nur in den seltensten Fällen eine böse Absicht, sondern massive Geldprobleme für das Vergessen der Hilfsbedürftigen verantwortlich sind, dürfte sich das Problem auch so schnell nicht lösen lassen.

Natürlich ist jeder zunächst einmal für sich selbst und seine Angehörigen verantwortlich. Wenn aber die von Politik und Wirtschaft zu verantwortenden Lebensumstände dazu führen, dass die ökonomischen Ressourcen der Familien nicht ausreichen, um sich der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft anzunehmen, müssen sich die Vertreter dieser Bereiche die Frage stellen, wo sie versagt haben. Immer nur auf die Verantwortung der Familien hinzuweisen, greift einfach zu kurz. Und wer behauptet, früher, als die Familien noch zusammengehalten haben, war alles besser, der sollte einmal darüber nachdenken, ob er selbst so leben möchte, wie es unter den damaligen Umständen üblich war. Mit einer Großfamilie ständig unter bescheidenen Bedingungen auf sehr begrenztem Raum leben zu müssen, ist nämlich längst nicht so spaßig, wie sich das viele der Sozialdarwinisten vorstellen.

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