von Leonie Reuter (Kommentare: 3) in Kategorie » Gran Canaria «

Interview: Arbeitslosigkeit auch bei Lehrern auf den kanarischen Inseln

Auch wenn in den letzten Monaten die Zahl der Arbeitslosen auf den kanarischen Inseln leicht zurückgegangen ist, so ist die Arbeitslosigkeit doch bis dato seit dem Jahr 2007 ständig angestiegen. Zu Beginn dieses Jahres war die historische Höchstzahl von 6.202.700 Arbeitslosen in Spanien erreicht, was in Prozent ausgedrückt 27,16 % bedeutet. Betroffen davon waren 3.304.700 Männer und 2.898.000 Frauen. In 1,9 Millionen Haushalten waren alle Hausmitglieder arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit der Jugendlichen unter 25 Jahren stieg über 57 % an. In der Arbeitslosenstatistik haben die Kanarischen Inseln im vergangenen Jahr einen führenden Platz innerhalb Europas eingenommen. Wie das statistische Amt der EU Eurostat bekannt gab, war im Jahr 2012 die Arbeitslosenquote nur in zwei spanischen Regionen höher, als auf den Kanaren, die eine ausgewiesene Arbeitslosenquote von 33% hatten.

Doch was verbirgt sich hinter diesem nüchternen und zugleich sehr erschreckenden Zahlenwerk? Im Einzelfall häufig sehr viel Elend mit großen persönlichen und wirtschaftlichen Katastrophen. Häufig sind ganze Familien betroffen und stehen von einem Tag auf den anderen ohne Geld und Unterstützung da. Ich hatte Gelegenheit auf Gran Canaria mit einer betroffenen arbeitslosen Frau zu sprechen. Dara steht insofern ein wenig besser als viele andere arbeitslose Menschen auf den kanarischen Inseln dar, da ihr Ehemann noch eine relativ sichere Arbeitsstelle hat und mit seinem Gehalt die Familie ernähren kann.

Viele Lehrer betroffen von Arbeitslosigkeit

Die 38jährige Dara lebt mit ihrem Ehemann und ihrer zweijährigen Tochter in der Nähe der Inselhauptstadt Las Palmas de Gran Canaria im Norden der Insel. Sie ist ausgebildete Lehrerin und hat viele Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Im Rahmen von Sparmaßnahmen verlor sie vor vier Jahren ihre Arbeit.

Leonie: Dara, magst Du mir etwas über Deinen Beruf erzählen?

Dara: Ich habe auf Teneriffa in La Laguna studiert und bin danach von der Regierung als Lehrerin eingestellt worden. Lehrerin war mein Wunschberuf und ich hatte viel Freude daran, Kinder und Jugendliche zu unterrichten. Dennoch war der Beruf gerade bei den älteren Jahrgängen teilweise auch sehr anstrengend. Ich habe mich jedoch immer in meiner Schule und inmitten meiner Kollegen wohl gefühlt und meine Berufswahl nie bereut.

Leonie: Wann wurdest Du arbeitslos?

Dara: Vor vier Jahren habe ich meine Arbeit verloren. Nach der Krise im Jahr 2008 wurden im Zuge der Einsparmaßnahmen auch viele Lehrerstellen durch die Regierung gestrichen. Insgesamt fielen in den letzten Jahren fast 2300 Lehrerstellen der Rotstiftpolitik zum Opfer. Wie viele Lehrer Kollegen erhielt auch ich meine Kündigung und bin seitdem zu Hause.

Leonie: Möchtest Du gerne wieder als Lehrerin arbeiten und siehst Du dafür Chancen?

Dara: Ich habe damals zunächst stundenweise privaten Sprachunterricht gegeben und versuche das auch heute fortzuführen. Daneben habe ich mich auch bei Fremdspracheninstituten beworben. Leider bislang ohne Erfolg. Um meine Jobchancen zu erhöhen, bilde ich mich ständig privat weiter. Doch bei der momentanen finanziellen Lage des Staates sehe ich kaum realistische Chancen für mich.

Da mein Mann zum Glück bei einer Telefongesellschaft zurzeit einen recht sicheren Job hat, haben wir uns entschlossen, ein Kind zu bekommen. Bald wird Esther nun zwei Jahre alt und ich kümmere mich intensiv um das Kind und unseren Haushalt. Daneben bilde ich mich jedoch ständig weiter, um irgendwann nicht den Anschluss für mögliche Berufschancen zu verlieren.

Leonie:

Jetzt wo Esther da ist, ist es da noch schwerer für Dich geworden, eine neue Arbeitsstelle zu finden?

Dara: Nein, denn ich habe für Esther seit sie 6 Monate alt ist, eine halbtägigen Krippenplatz. Krippen- und Kindergartenplätze sind in ausreichender Zahl vorhanden, so dass ich ohne weiteres morgens als Lehrerin wieder in die Schule gehen könnte.

Leonie: Könnt Ihr als Familie mit dem Einkommen Deines Ehemannes leben?

Dara: Wir schränken uns ein wenig ein und vermieten dauerhaft ein Zimmer unserer Wohnung. So kommen wir zurzeit ganz gut über die Runden. Dennoch haben wir natürlich große Sorge, dass auch eines Tages mein Mann seine Arbeit verlieren könnte. Auch habe ich lange für meinen Beruf studiert und kann mir nicht vorstellen, dass ich mein restliches Leben nun ohne berufliche Perspektive zu Hause verbringen soll.

Leonie: Wie siehst Du unter diesen Umständen Deine und die Zukunft Deiner Familie?

Dara: Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass sich die Lage auf den kanarischen Inseln in den nächsten Jahren wesentlich verbessert. Wir hoffen, dass zumindest mein Mann seine Arbeit behält. Viele Bekannte und Freunde von uns sind bereits ausgewandert, da sie hier keine Arbeit mehr bekommen haben und auch keine Perspektive sehen.

Keine Hoffnung mehr

Durch die Abwanderungen sinken auch die Schülerzahlen. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass ich hier auf Gran Canaria demnächst wieder als Lehrerin arbeiten kann. Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf und werde mich weiter um eine Stelle als Lehrerin an allen möglichen öffentlichen und privaten Schulen bewerben. Sollten sich meine Chancen auch in den nächsten Jahren durch meine Fortbildungen nicht erhöhen, bleibt eigentlich nur noch, die kanarischen Inseln zu verlassen. Doch das ist ein Schritt, an den ich im Moment wirklich nicht denken mag. Unsere Familien leben hier seit Generationen und wir haben unsere Wurzeln hier. Meine Mutter ist krank und benötigt meine Pflege. Daher hoffe ich sehr, dass wir diesen Schritt nicht machen müssen.

Leonie: Danke Dara für das Interview. Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute für die Zukunft und hoffe sehr, dass Du doch noch eine Möglichkeit finden wirst, hier auf Gran Canaria eine neue Arbeit zu finden.

Wie Dara mir erzählt hat, sind in den letzten Jahren auf den kanarischen Inseln ca. 2280 Lehrerstellen weggefallen. Das Missverhältnis zwischen dringend benötigten Lehrern an den Schulen und weggefallenen Lehrerstellen ist gravierend. Und an dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn die Ursache der Massenarbeitslosigkeit der jungen Menschen unter 25 Jahren auf den kanarischen Inseln ist nicht zuletzt auch auf ein geringes Bildungsniveau sowie auf eine schlechte oder gar keine Schulausbildung zurückzuführen.

Sparmaßnahmen im Bildungsbereich werden das finanzielle Problem der kanarischen Inseln nicht lösen, sondern eher das Gegenteil bewirken. Schlechte Bildung wird die gravierende Arbeitslosigkeit, insbesondere bei den Jugendlichen, nur noch weiter verschärfen.

Kommentare

Kommentar von Jan |

Vielen Dank für das sehr interessante Interview.
Es ist erschreckend, denn da wird ja ganz offensichtlich an der falschen Stelle gespart. Gerade bei dem „schlechten“ Bildungsniveau auf den Kanaren müsste man ja eigentlich annehmen das dort mehr investiert werden sollte…
Meine Gedanken sehen gerade wie folgt aus.
Es sind ja nicht weniger Kinder, bei weniger Lehrkräften werden sicherlich die Klassen größer, bis halt niemand mehr in den Raum passt. Mit Sicherheit fallen da einige Kinder nach unten durch, da eine intensive Betreuung unmöglich wird.
Zum anderen steigt die Belastung der Lehrenden Person stark an. Mit Sicherheit steigen dann auch die Ausfälle der Lehrerinnen und Lehrer.
Für Vertretung ist ja dann keiner da?!

Für mich ein erschreckendes Bild …

Kommentar von Leonie |

Danke Jan für Deinen Kommentar. Ja, das ist wirklich kein schönes Szenario. Ich hoffe im Interesse der betroffenen Schüler und Lehrer, dass es doch noch ein Umdenken geben wird.

Kommentar von Sascha |

Finde das Interview auch sehr interessant und erschreckend zugleich. Man kann nur hoffen, dass sich hier noch etwas mit der Zeit verändert und die Situation nicht einfach so hingenommen wird.

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